Führung und Leadership – das sind Kompetenzen, die viele Führungskräfte nicht systematisch gelernt haben, denn viele waren vorher spezialisierte Fachkräfte. Wer jedoch ein promovierter Ingenieur oder studierter Informatiker ist, der hatte auch nie die Gelegenheit, sich die nötigen Führungs-Tools auf hohem Niveau anzueignen. Wir alle wissen aber, dass es beim Führen weniger auf fachliche Expertise, sondern nahezu ausschließlich auf “People Skills” ankommt. Doch auch hinter diesen Soft Skills steht eine Wissenschaft der harten Fakten: Führungs- und Motivationspsychologie sowie die moderne Hirnforschung und Verhaltensbiologie. Hier kann Business Coaching helfen, diese Kompetenzen gezielt zu entwickeln.
Führungsstile
Ein Führungsstil kann definiert werden als die Verhaltensweisen einer Führungskraft, also was eine Führungskraft tut und wie sie es tut. Führungsstile basieren auf einer persönlichen Führungsphilosophie. Diese Philosophie ist geprägt von den eigenen unbewussten oder bewussten Grundannahmen über die Natur des Menschen und des Arbeitens.
Mein Menschenbild: Sind Menschen von Natur aus fleißig oder faul? Arbeiten sie freiwillig und gerne – oder nur, wenn sie dazu genötigt werden?
Douglas McGregor hat in seinem Buch „The Human Side of Enterprise“ (1960) zwei grundlegende (unbewusste und ungeprüfte) Theorien identifiziert, die Führungskräfte über die Natur des Menschen haben können – und nannte sie „Theorie X“ und „Theorie Y“.
Theorie X (nach McGregor)
Theorie Y (nach McGregor)
Es geht dabei nicht um die (wohl schwer zu entscheidende Frage), welche Theorie recht hat. Für eine erfolgreiche Führungskraft geht es vielmehr darum zu verstehen, dass sie gewisse Grundannahmen über den Menschen und die Arbeit mitbringt (Führungsphilosophie), und dass dies den eigenen Führungsstil (was ich als Führungskraft tue und wie ich es tue) beeinflusst. Daher lassen sich die Führungsstile jeweils auch als Ausdruck der persönlichen Führungsphilosophie (Theorie X oder Y) verstehen.
Die vier Führungsstile
Keine Führungskraft zeigt nur einen einzigen Führungsstil. In der Regel werden die Stile je nach Situation (Thema) und zu führender Person (Persönlichkeit) eingesetzt. In der Praxis gibt es also in der Regel Überschneidungen und Kombinationen von Führungsstilen.
Autoritärer Führungsstil
Das Menschenbild hinter dem autoritären Stil basiert auf der „Theorie X“: Die Grundüberzeugung dabei ist, dass Menschen Anweisungen von außen benötigen. Deshalb muss eine autoritäre Führungskraft das Verhalten der geführten Menschen kontrollieren. Autoritäre Führungskräfte betonen, dass Sie die Führung innehaben und üben Einfluss auf die Folgenden aus. Sie legen Aufgaben und Prozesse für die anderen Menschen fest und stellen diese normalerweise nicht zur Diskussion. Sie bewerten die Folgenden, geben nach eigenem Ermessen Lob und Kritik, auf der Grundlage ihrer persönlichen Einschätzung, nicht gemäß objektiven Standards. Einige Kontexte machen es wahrscheinlicher, dass sich ein autoritärer Führungsstil einstellt, z.B. bei Zeitdruck, bei Gefahren von außen, oder wenn eine Gruppe schlecht performt. In manchen Situationen ist der autoritäre Führungsstil sehr hilfreich, z.B. wenn neue Mitarbeiter:innen eingearbeitet werden, die noch keine Erfahrung mitbringen; oder wenn einer geführten Person Sicherheit wichtiger ist als Verantwortung. Ein autoritärer Führungsstil ist nicht notwendigerweise mit einer Diktatur verbunden. Er kann auch ein nachvollziehbarer Ausdruck einer Kompetenzüberlegenheit auf Seiten der Führungskraft sein, die vielleicht gegenüber den Folgenden einen großen Wissensvorsprung oder Erfahrungsschatz hat. „Autorität“ können sich Menschen nicht nur durch Machtausübung erzwingen, sondern auch durch Sachverstand oder Lebenserfahrung verdienen. Wir alle erkennen bei ausgewählten Menschen freiwillig deren Autorität an.
Empirische Forschung: Wie effektiv ist dieser Stil?
Was sagt die Führungsforschung über die Wirksamkeit dieses Führungsstils? Die Ergebnisse sind gemischt. Die Vorteile dieses Stils liegen darin, dass er eine effiziente und produktive Arbeit ermöglicht – durch klare Vorgaben und kurze Entscheidungswege kann mehr in kürzer Zeit erreicht werden. Die Nachteile liegen darin, dass der autoritäre Führungsstil generell die Abhängigkeit und Unterwürfigkeit der Geführten fördert, und zu einem Verlust von Individualität führt. Kreativität und persönliches Wachstum werden behindert. Langfristig können die Geführten das Interesse an ihrer Arbeit verlieren und werden unzufrieden.
Vorteile des autoritären Stils
Nachteile des autoritären Stils
Demokratischer Führungsstil
Das Menschenbild hinter dem demokratischen Stil basiert auf der „Theorie Y“: Demokratische Führungskräfte behandeln Folgende als Menschen, die selbstständig in der Lage sind, ihre eigene Arbeit zu erledigen. Deshalb kontrollieren diese Führungskräfte ihre Mitarbeiter:innen nicht, sondern arbeiten mit ihnen zusammen – auf Augenhöhe, ohne sich über sie zu stellen. Sie sehen sich selbst mehr als Helfer:innen, nicht als Anweiser:innen. Sie machen den Folgenden Vorschläge, wie diese sich selbst helfen können. Dabei erwarten die Führenden nicht, dass ihre Vorschläge auch umgesetzt werden. Denn demokratische Führungskräfte haben nicht die Intention, andere Menschen durch ihren Einfluss zu verändern – sie üben keinen Druck aus und geben keine Anweisungen. Stattdessen versuchen sie, die Folgenden darin zu unterstützen, dass diese ihre persönlichen Ziele selbst besser erreichen. Sie bieten Hilfe zur Selbsthilfe.

Empirische Forschung: Wie effektiv ist dieser Stil?
Was sagt die Führungsforschung über die Wirksamkeit dieses Führungsstils? Die Ergebnisse sind weitgehend positiv. Ein demokratischer Führungsstil führt zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit, mehr Commitment und besserer Mitarbeiterbindung. Weiterhin ist die Umgangskultur freundlicher, wertschätzender und teamorientierter. Und schließlich ist die Arbeitsmotivation und Kreativität deutlich höher. Die Nachteile dieses Führungsstils liegen darin, dass er mehr Zeit kostet und für die Führungskraft eine größere Belastung darstellt. Ein weiterer Nachteil dieses Führungsstils, dass die Arbeit zwar erledigt wird, aber nicht so effizient wie beim autoritären Führungsstil.
Vorteile des demokratischen Stils
Nachteile des demokratischen Stils
Laissez-faire Führungsstil
Das Menschenbild hinter dem laissez-faire Stil (bedeutet wörtlich so viel wie „die anderen einfach machen lassen, in Ruhe lassen“) ähnelt weder Theorie X noch Theorie Y. Laissez-faire Führungskräfte kontrollieren ihre Folgenden nicht, aber sie unterstützen sie auch nicht. Daher wurde dieser Stil in der Forschung auch schon als „Nicht-Führung“ bezeichnet.
Die Führungskraft übt nur minimalen Einfluss aus und versucht nicht, die Aktivitäten der Folgenden zu steuern. Das kann verschiedene Gründe haben: Desinteresse, mangelnde Bereitschaft sich zu positionieren, Konfliktvermeidung, oder nur eine begrenzte Autorität. Häufig tritt er auf, wenn Führungskräfte nur als Zwischenlösung eine Stelle besetzen, bis dann endlich „die richtige Führungskraft“ anfangen und neue Strukturen schaffen kann. Interimsführungskräfte versuchen oft, die bisherige Ordnung zu erhalten, Schaden abzuwenden, die Sache am Laufen zu halten. Sie leiten aber oft keine wichtigen Veränderungsschritte ein, sondern verwalten lediglich den Status Quo, bis die „eigentlich vorgesehene“ Führungskraft den Posten übernimmt – und möglicherweise dann Veränderungen einleitet.
In jüngerer Zeit hat sich ein weiteres Einsatzgebiet dieses Führungsstils entwickelt, nämlich progressive Tech-Unternehmen (ähnlich Google), die Mitarbeiter:innen teils die freie Entscheidung überlassen, wann sie arbeiten wollen und wie lange, wo sie arbeiten möchten und woran, oder sogar, wie viel Urlaub sie machen möchten. Das Mindset dahinter hat aber nichts mit einer desinteressierten Interims-Verwaltung zu tun. Meist wird dieser Führungsstil dann in diesem Kontext auch nicht laissez-faire, sondern „agil“ genannt.
Empirische Forschung: Wie effektiv ist dieser Stil?
Was sagt die Führungsforschung über die Wirksamkeit dieses Führungsstils? Zunächst bezieht sich die Forschung weitgehend auf den klassischen laissez-faire Stil („Zwischenlösung“), nicht auf die bewusste Entscheidung zur Agilität („Silicon Valley“). Die Ergebnisse zum klassischen laissez-faire Stil sind weitgehend negativ. Der Haupteffekt dieses Stils ist, dass die Folgenden nur sehr wenig Resultate erreichen. Wenn Menschen keine Richtung sehen und nicht wissen, was sie tun sollen, tun sie häufig erstmal gar nichts. Häufig benötigen Menschen zumindest ein klein wenig Ausrichtung, eine grundlegende Orientierung. Die Folgenden sehen bei diesem Stil keine Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit und werden unmotiviert und leidenschaftslos. Sie fühlen sich alleine gelassen und schieben Frust. Die Produktivität sinkt stark. In manchen Kontexten ist der Stil aber auch förderlich, z.B. bei der Führung von sehr erfahrenen und kompetenten Folgenden, die Wert auf Unabhängigkeit und ihren Individualismus legen und keine Unterstützung in ihrer Arbeit benötigen. In der Mehrzahl der Fälle produziert dieser Führungsstil aber negative Ergebnisse.
Vorteile des laissez-faire Stils
Nachteile des laissez-faire Stils
Situativer Führungsstil
Der situative Führungsstil ist eigentlich kein weiterer Führungsstil, sondern besteht darin, den eigenen Führungsstil flexibel der jeweiligen Situation anzupassen – also eben nicht nur einen einzigen Führungsstil zu praktizieren. In der Regel wird empfohlen, den eigenen Stil dem jeweiligen Reifegrad der geführten Person anzupassen: in der Ausbildung benötigen Menschen klare Anweisungen und Hilfestellungen (autoritärer Stil), als spätere Fachkraft benötigen sie mehr Selbstständigkeit und eher einen Sparrings-Partner (demokratischer Führungsstil).
Es kann aber auch sein, dass eine geführte Person in gewissen Arbeitsbereichen (aufgrund noch fehlender Kompetenz) einen anderen Führungsstil benötigt als in anderen (gut bekannten) Aufgabenfeldern.
Vorteile des situativen Stils
Nachteile des situativen Stils
Führungsstile bilden ein Kontinuum der Entscheidungsbildung
Führungsstile sind keine Frage von schwarz und weiß. Man ist nicht entweder demokratisch oder undemokratisch, entweder autoritär oder anarchistisch. Man muss Führungsstile auf einem Kontinuum anordnen, bei dem auf der einen Seite die Willensbildung maximal einseitig auf Seiten der Führungskraft liegt und auf der anderen Seite maximal einseitig auf Seiten der Gefolgschaft.
Wer trifft die Entscheidung?
Entsprechend bilden die Führungsstile ein Kontinuum von despotisch (Führungskraft entscheidet allein, übt Zwang aus), über beratend und kooperativ (Führungskraft lässt sich Vorschläge präsentieren und trifft eine Entscheidung), bis hin zu autonom (Gefolgschaft entscheidet autonom, Führungskraft koordiniert). Praktisch keine Führungskraft befindet sich an einem der äußeren Extreme.
Der autoritäre Stil deckt die Spanne von „despotisch“ bis zu „beratend“ ab, der demokratische Stil von „kooperativ“ bis hin zu „autonom“.
Wie viel Einfluss wird ausgeübt?
Weiterhin kann man die Führungsstile danach klassifizieren, wie viel Einfluss jeweils ausgeübt wird: