Ohne Hirn geht nichts
Jeden Menschen interessieren die „großen Fragen“: Was ist der Sinn meines Lebens? Wie kann ich glücklich werden? Wer bin ich? Wie werde ich der, der ich sein möchte? Was sind meine wirklich wichtigen Ziele? Wie erreiche ich diese Ziele? Wie kann ich ein gelingendes Leben führen?
Der Beantwortung solcher Fragen hat sich über Jahrtausende hinweg die Philosophie angenommen, seit längerem aber auch die Psychologie, die sich vor mehr als 100 Jahren aus der Philosophie löste und eine eigene Disziplin wurde. Durch ihre explosionsartige Ausbreitung und rasanten Forschungsfortschritte beansprucht in den letzten Jahrzehnten aber auch die Hirnforschung (auch: Neurowissenschaft, Neurobiologie), in diesen Fragen ein Wörtchen mitzureden. Gegenwärtig hat diese Erforschung des Gehirns so viele Einsichten zu bieten, dass sich behaupten lässt: Auf dem Weg zu einem gelingenden Leben kommt man um ein gewisses Grundwissen über das eigene Gehirn nicht herum.
Viele Experimente belegen, dass alle psychischen Funktionen wie Erleben, Fühlen, Denken, Wahrnehmen, intendierte Bewegungen usw. auf dem Feuern von Neuronen beruhen, den Nervenzellen des Gehirns. Das heißt natürlich nicht, dass das Gefühl der Liebe nichts anderes ist als ein Feuerwerk im Kopf – es heißt nur, dass es ohne dieses Feuern von Neuronen keine gefühlte Liebe gibt. Darüber hinaus sind viele Forscher der Meinung, dass man die Prinzipien von psychischen Abläufen wie z.B. Gefühlen genau dann versteht, wenn man sie als neuronale Prozesse verstanden hat. Wie Sie sich also am besten motivieren, können Sie erst sagen, wenn Sie verstanden haben, wie Motivation in Ihrem Gehirn funktioniert. Ohne Hirn geht also nichts.
Mit wenig Hirn geht aber auch nicht viel: Wenn man sein Gehirn nicht richtig versteht, ist das so, als ob eine Person versucht, mit einem Rennauto einen Streckenrekord aufzustellen, ohne zu verstehen, was eigentlich der Unterschied zwischen Gas und Bremse ist. Natürlich kann man so etwas durch Ausprobieren herausfinden. Aber die Feinheiten lernt man eben nur, wenn man auch die Prinzipien versteht. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass man lange Zeit beim olympischen Hochsprung mit dem Bauch nach unten über die Messlatte gesprungen ist. Zweifelsohne konnten alle diese Hochspringer herausragend gut hochspringen. Ein bisschen mehr physikalisches und bewegungsphysiologisches Wissen hätte aber vielleicht dazu geführt, dass man schon früher angefangen hätte, mit dem Rücken nach unten über die Latte zu springen – und so schon früher deutlich höher gekommen wäre.
Ein solches Grundwissen über das Gehirn soll Ihnen dieser Blog-Post in ganz groben Zügen vermitteln – und zwar immer mit dem Fokus auf das allgemeine Feld der Persönlichkeitsentwicklung und des erfüllenden Glücks. Der gesamte Blog-Post ist wissenschaftlich fundiert und greift auf philosophische, psychologische und neurobiologische Forschungsergebnisse zurück. Da es sich aber nicht an ein kleines, akademisches Experten-Publikum richtet, sondern an jeden, der ein menschliches Gehirn besitzt und dessen Potenziale besser nutzen will, werden nur wenige wissenschaftliche Fachbegriffe verwendet, während auf Fußnoten vollständig verzichtet wird.
Nun aber los: Mit mehr Hirn zu mehr vom Hirn!
Das menschliche Gehirn
Die Natur hat viele unfassbar schöne und ausgetüftelte Dinge hervorgebracht. Doch als Krone der Schöpfung gilt vielen Forschern das menschliche Gehirn, das sich über 500 Millionen Jahre Evolution zu einem der komplexesten Gebilde dieser Welt entwickelt hat. Das Gehirn besitzt etwa so viel Rechenleistung wie die derzeit leistungsstärksten Computer. Trotzdem verbrauchen solche Computer 5000-mal so viel Energie wie unser Gehirn – es ist also hochgradig effizient. Während Computer seriell (nacheinander) Rechenprozesse verarbeiten, kann das Gehirn dies parallel. Das Gehirn kann mehrere Daten gleichzeitig abspeichern – Computer nur nacheinander. Sie kennen das: Wenn Sie einen Datentransfer auf Ihrem Rechner laufen haben, wird ein zusätzlicher Datentransfer zur Qual für Ihren Computer und Ihre Nerven. Zum Glück ist das im Gehirn nicht so.
Das Gehirn umfasst 100 Milliarden Neuronen und wird über vier Arterien mit Sauerstoff versorgt. Wie wichtig das Gehirn für den Menschen in biologischer Hinsicht ist, zeigt sich daran, dass es nach Millionen Jahren Evolution das am besten geschützte menschliche Organ ist.
Wir benötigen unser Hirn in erster Linie nicht zum Denken, sondern zur Orientierung in unserer Umwelt: Unser Gehirn soll uns das Leben retten, uns am Leben erhalten und für unsere Fortpflanzung, also letztlich für die Erhaltung der Gattung Mensch sorgen. Natürlich ist das Gehirn primär auf eine andere Welt ausgelegt als wir sie heute kennen: Gefährliche Tiere sind dem Gehirn evolutionär bekannter als gefährliche Schusswaffen oder Taser. Einige heute typische Probleme erwachsen erst daraus, dass wir uns als biologische Wesen nicht schnell genug den rasanten Veränderungen der modernen Welt anpassen können (Rückenschmerzen durch den Büroalltag, Sinnlosigkeit durch die Überflussgesellschaft, Burnout durch permanente Aktivität und Erreichbarkeit etc.).
Alle Leistungen des Gehirns dienen dem Ziel des Überlebens – auch das Denken, das Wahrnehmen oder die Gefühle. Nur einen ganz kleinen Teil dessen, was in unserem Gehirn abläuft, erleben wir auch bewusst. Wir sehen z.B. nicht alles bewusst, was unsere Augen an visuellen Informationen empfangen. Was wir von der Welt erkennen, ist kein Abbild, sondern eine nützliche Landkarte der Welt. Mit dieser Landkarte können wir uns dann in der Welt orientieren und überleben. Man spricht hier davon, dass unser Gehirn unsere Realität konstruiert – wenn da nicht die Frage offenbliebe, ob das Gehirn damit nicht unzulässig zu einer handelnden Person hochstilisiert werde. Wenn aber unser Erleben tatsächlich am Ende vielmehr ein Konstrukt und kein realistisches Bild der Welt ist, hat unser Gehirn offenbar einen gewissen Spielraum: Unsere erlebte Wirklichkeit wird nicht direkt von der Außenwelt bestimmt – da hat unser Gehirn noch ein Wörtchen mitzureden. Hier stellt sich nun die zentrale Frage: Können wir dieses Konstrukt so beeinflussen, dass die Welt für uns schön ist, dass wir schöne Gefühle empfinden, dass wir ein erfüllendes Leben führen?
Emotionen, Denken und Sprache
Dafür ist zunächst wichtig, dass wir verstehen, dass Teile unseres Gehirns älter sind als andere. Das hat Auswirkungen auf die Funktionsweise unseres Gehirns.
Wir alle kennen Emotionen, die völlig unabhängig von rationaler Einschätzung und willentlicher Kontrolle auftreten und vergehen. Das beste Beispiel ist Angst: Wir haben oft in Situationen Angst, in denen dies rational unangemessen ist. Wer Angst vor Spinnen hat, reagiert meist auch auf eine Spinne im Fernsehen mit Angst – gerade dort sind sie für uns aber völlig ungefährlich. Die Tatsache, dass diese Angst nicht durch den Anblick der Spinne selbst hervorgerufen wird, sondern von unserem Gehirn konstruiert wird, heißt nun aber nicht, dass wir diese Angst bewusst kontrollieren können: Man kann sich nicht entscheiden, jetzt mit heftiger Angst zu reagieren und schon gar nicht, mit der Angst jetzt auf Knopfdruck wieder aufzuhören. Solche Emotionen sind wie z.B. auch das Einschlafen willentlich nicht kontrollierbar – es sind unwillkürliche Prozesse, denen wir uns als Opfer ausgeliefert fühlen. Gleichzeitig geht z.B. Angst aber durch die bloße rationale Versicherung, es sei ja alles in Ordnung, nicht einfach weg. Das wiederum kennt man auch von anderen Emotionen wie Verletzt-sein, Eifersucht oder Eitelkeit. Die Einsicht, dass die Emotion gerade völlig überflüssig ist, spielt fast nie eine Rolle dabei, wann sie auftritt und wann sie wieder vergeht. Deshalb ist es auch oft nicht erfolgreich, Menschen in solchen Situationen gut zuzureden. Es mag helfen, dass andere für einen da sind, dass man sich nicht alleine fühlt; ganz selten mag auch ein Zureden helfen, aber in der Regel ist es ohne spezifische Wirkung.
Durch sprachliche Beeinflussung lässt sich hier kein Veränderungseffekt erzielen. Das ist verwunderlich – arbeiten doch so viele Beratungen, Therapien und Coachings genau mit einer solchen Methode. Man hört immer wieder davon, man müsse einfach nur von „ich muss“ auf „ich will“ umsteigen; man müsse den Pessimismus durch positives Denken ersetzen, dann würde bald alles gut. So einfach ist es natürlich nicht – aber das versteht man erst, wenn man das Gehirn besser versteht.
Unwillkürliche Prozesse gehen nämlich mit einer erhöhten Aktivität einer speziellen Gehirnregion einher: dem limbischen System. Dort kommt es aufgrund der Bewertung, dass ein gewisser Sinnesreiz (z.B. Anblick einer Spinne) gefährlich ist, zu einer Angstreaktion. Diese Bewertung ist sozusagen die Konstruktion der Angst und führt dazu, dass bei unterschiedlichen Menschen ein und dieselbe Spinne einmal Angst, einmal Ekel, einmal Faszination und einmal Mitgefühl auslösen kann.
Die Bewertungen, die eine Situation als gefährlich oder ungefährlich kategorisieren, finden aber nicht bewusst und rational durchdacht statt, sondern laufen blitzschnell und vor jedem Bewusstsein ab. Wir können den Konstruktionsprozess also nicht bewusst und rational steuern, auch nicht nachträglich. Alles andere wäre ein missverstandener Konstruktivismus. Ich habe das in einem Vortrag an der Uni Heidelberg auf den Namen „Pippi-Langstrumpf-Konstruktivismus“ getauft, da sein Motto lautet: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ In dieser Form ist Konstruktivismus schlichter Unsinn. Denn so einfach geht es natürlich nicht. Das limbische System ist nämlich ein evolutionär deutlich älterer Teil des Hirns als z.B. der Neocortex, der für bewusste und rationale Beurteilungen sowie Sprache zuständig ist. Die für unwillkürliche Erlebensprozesse wichtigen Bewertungen sind bereits geschehen, wenn wir bewusst etwas davon mitbekommen. Sie kennen das vielleicht aus Situationen, in denen Sie schon zucken, bevor Sie bewusst spüren, dass Sie Angst haben. Die Angstreaktion bereitet Ihren Körper bereits perfekt auf Flucht oder Kampf vor, bevor Sie eine Ahnung davon bekommen, was gerade um Sie herum passiert. Ihr Körper ist sozusagen schneller als Ihr Bewusstsein: Er wehrt die Gefahr schon ab, bevor Sie sie bewusst erkannt haben.
Bei bewusst-rationalen Bewertungen wird ein Sinnesreiz nicht sofort vom Thalamus zur Amygdala (beides Teile des limbischen Systems) geleitet, sondern macht einen Zwischenstopp am präfrontalen Cortex (Teil des Neocortex), wo er dann differenzierter und situationsangemessener bewertet wird. Das ist alles recht kompliziert. Wichtig für Ihr Leben ist einfach nur, zu wissen, dass genau dieser Umweg bei unwillkürlichen Prozessen nicht stattfindet! Unwillkürliche Reaktionen laufen ab, ohne dass Sie darauf bewusst Einfluss nehmen können. Eine rationale und bewusste Bewertung im Nachhinein funktioniert auch nicht. Sagen Sie sich mal in einer Angstsituation, dass es gar keinen Grund gibt, Angst zu haben – es wird sich nicht viel tun! Das liegt daran, dass von der Amygdala viel mehr neuronale Übertragungswege weg als zu ihr hin führen. Daher gibt es einfach keine ausgebauten „Straßen“ vom präfrontalen Cortex zur Amygdala, d.h. vom Sprach- und Denkzentrum zur Angstzentrale. Das ist nicht im ganzen Gehirn so: Unsere Motorik oder Sprache z.B. können wir bewusst steuern und so eine Sportart oder Sprechen lernen. Wenn Sie in Ihrem Leben also nun unwillkürliche Erlebensprozesse wie Angst, Nervosität, Selbstvertrauen, Zuversicht, Schlaf, Hochleistungszustände etc. beeinflussen möchten, dann reicht es nicht aus, dies nur über Sprache und bewusstes Denken zu tun.
In meinem Beratungskonzept habe ich daher viele Strategien entwickelt, die der Funktionsweise unseres Gehirns entsprechen und solche unwillkürlichen Prozesse mit Aufmerksamkeitsfokussierung, Hypnose und wiederholtem wirklichen Erleben effektiv beeinflussen. Alles andere funktioniert schlichtweg nicht gut genug – und die Hirnforschung kann uns nun endlich erklären, warum.
Nun könnte man sagen, dass diese unwillkürlichen Prozesse ja nur einen kleinen Teil des Lebens ausmachen und wichtige Prozesse ja auch bewusst und kontrollierbar ablaufen – z.B. Handlungen, Planungen, Bewegungen. Auch das stimmt zwar nicht ganz, aber es ist richtig, dass unwillkürliche Prozesse nicht alles sind. Doch fragen Sie sich einmal, welche Dinge in Ihrem Leben Ihnen wirklich Probleme bereiten! Oft sind es genau solche unwillkürlichen Prozesse: Ich bin müde, wo ich gerne leistungsfähig wäre; ich bin nervös, wo ich gerne selbstbewusst wäre; ich kann nicht abschalten, wo ich gerne ausruhen würde; ich habe einen Blackout, wo ich vollen Zugriff auf mein Gedächtnis oder meine Muskeln bräuchte; ich bin lustlos, wo ich gerne motiviert wäre; ich teile verbal aus, wo ich eigentlich ruhig bleiben müsste. Oft fehlen uns hier einfach effektive Lösungswege.
Wir müssen also einsehen, dass wir nicht in erster Linie rationale und sprechende Lebewesen sind, wie viele Philosophen meinten, sondern zunächst vor allem biologische Lebewesen mit einem evolutionären Erbe, so banal uns dieses Erbe als vermeintlich so intelligente Spezies erscheinen mag. Wer ein glückliches Leben führen will, kann nicht nur auf Vernunft und Sprache setzen – das ist gerade für graduierte Philosophen wie mich eine durchaus ernüchternde Einsicht. Doch darin liegen natürlich auch unendliche Potenziale, weil uns nun bewusst wird, dass ein erfüllendes Leben tatsächlich möglich ist, wir aber bisher die falschen Strategien verfolgt haben…
“Ich bin halt einfach so!” – Ist das Gehirn veränderbar?
Wenn alles Psychologische auf neuronalen Prozessen basiert, dann müssen wir uns vorstellen, dass es ein spezifisches neuronales Muster für unsere Eigenschaften gibt: Es gibt neuronale Eitelkeit, neuronale Faulheit, neuronale Wutausbrüche, neuronale Versagensängste etc. Lange Zeit ging man davon aus, dass sich solche neuronalen Muster nicht mehr ändern ließen, sobald ein Mensch das Erwachsenenalter erreicht hat. Die rasante Forschung der Neurowissenschaft hat aber zweifelsfrei gezeigt, dass das Gehirn bis ins hohe Alter noch formbar ist: Wir können auch mit 80 Jahren noch einmal uns und unser Leben komplett umkrempeln! In der Hirnforschung spricht man hier von Neuroplastizität: Ihr Gehirn ist bis ins hohe Alter noch plastisch formbar. Ihre Gene spielen dabei zwar eine Rolle: Sie haben z.B. ein höheres/geringeres Risiko als andere Menschen für die Entwicklung einer Krankheit. Gegenüber den realen Erfahrungen treten diese Gene aber in den Hintergrund. Ganz einfach gesagt heißt das: Hohe genetische Vorbelastung plus positive Erfahrungen (insb. in der Kindheit) führt normalerweise zu guter psychischer Gesundheit. Bei andauernden schlechten Erfahrungen wie Liebesentzug oder Misshandlung bringen einem umgekehrt auch die besten Gene nichts. Was uns unsere Eltern an Genen mit auf den Weg gegeben haben, spielt dabei eine viel geringere Rolle als das, was uns unsere Eltern in unserer Kindheit mit auf den Weg gegeben haben und welche prägenden Ereignisse uns widerfahren sind. Auch bei psychischen Krankheiten lässt sich also sagen: Man kann lernen, krank zu werden, und man kann es auch wieder verlernen – das hängt von unserer Einstellung und unseren realen Erfahrungen ab. Manchmal können Medikamente hier sinnvoll nachhelfen, was aber eine Frage ist, die nur ein Facharzt beantworten sollte.
Wir können uns also verändern – zum Guten wie zum Schlechten. Dabei hat die Neurowissenschaft herausgefunden, dass nicht nur das Gehirn unsere Gefühle, unser Denken und unsere Handlungen bestimmt, sondern dass wir auch umgekehrt allein durch Denken, Handlungen und fokussierte Aufmerksamkeit unser Gehirn verändern können. Wenn Sie z.B. jeden Abend für 10 Minuten aufschreiben, für was in dieser Welt Sie eigentlich dankbar sind oder sein könnten – z.B. für all die Bücher, die Sie nicht schreiben mussten; für all Ihre Freunde, die Sie nicht großziehen mussten; für all die sprachlichen und kulturellen Bedeutungen, die Sie nicht bilden mussten; für all die Straßen, Häuser und Geräte, die Sie nicht erfinden und bauen mussten – dann ändern Sie aktiv Ihr Gehirn.
Wer dieser Übung einige Wochen beständig nachgeht, dem geht es (wissenschaftlich erwiesen) psychisch besser.
Die Frage ist also: Wenn wir die Macht haben, unser Gehirn zu verändern, was ist dann die beste Strategie, unser Gehirn so zu verändern, dass es uns damit besser geht?
Der Weg zum Glück – Wie verändern Sie Ihr Gehirn?
Bei Veränderungsprozessen muss das Gehirn nicht jede einzelne Nervenzelle erneuern – es genügt alleine eine andere Verschaltung verschiedener Nervenzellen. Einfach gesagt: Wenn früher der Sinnesreiz einer Autohupe in Ihrem Gehirn mit einem Wutausbruch und nachhaltigem Zorn verbunden war, heute aber zu einem freundlichen Dankeschön für den Gefahrenhinweis führt, dann haben Sie sich geändert, ohne dass neue Nervenzellen dafür nötig waren – lediglich neue Verknüpfungen zwischen alten Nervenzellen. Viele Probleme lassen sich so lösen. So könnte z.B. das Bild einer Spinne in Zukunft mit einem positiven Gefühl verbunden werden. Damit wäre die Spinnenangst verschwunden.
Nervenzellen sind etwa so miteinander verbunden, wie Städte es durch Straßen sind. Es gibt dabei große Straßen, die viele Autos in kurzer Zeit von A nach B bringen können. Manche Städte sind überhaupt nicht direkt miteinander verbunden, sondern nur über einen Umweg über eine dritte Stadt. Manche Städte sind nur durch kleine Straßen verbunden, sodass hier wenig Autos durchkommen. Wenn Sie nun schnell irgendwo hin müssen, dann werden Sie sicher immer die breitesten Straßen wählen. Deshalb fahren Sie ja auch von München nach Berlin nicht durch Dörfer, sondern über (mehr oder weniger ausreichend) breite Autobahnen. In einer Hinsicht ist das Gehirn aber ganz anders als der Straßenverkehr. Während hier viel Verkehr die Autobahnen kaputt macht und so zu Sperrungen führt, gilt im Gehirn immer: Je öfter eine Straße benutzt wird, desto breiter wird sie. Je öfter sie also mit einer Reaktion auf einen Reiz reagieren, z.B. mit einem Wutausbruch auf eine Autohupe, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das auch in Zukunft tun. Je breiter die Autobahn, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Autopilot automatisch diese Autobahn nimmt. Und machen wir uns nichts vor: Die meiste Zeit des Tages verbringen wir im Autopiloten, sei es beim Zähneputzen oder beim Essen.
Alles, was wir aus Gewohnheit und ganz automatisch tun, basiert auf diesem Prinzip. Deswegen sind Gewohnheiten auch so stark. Wenn Sie aber nun über einen langen Zeitraum mit ausreichend vielen Wiederholungen andere Wege gehen – indem Sie z.B. auf die Autohupe oder auf den Vorwurf (die Bedürfnismitteilung?) Ihres Partners anders reagieren –, dann wird diese neue Autobahn immer breiter. Irgendwann reagieren Sie dann ganz automatisch so. Sie kennen das vom Sport: Wer beim Tennis anfangs noch große Probleme mit der richtigen Schlagtechnik hatte, hat sie irgendwann so verinnerlicht, dass sie ganz von alleine abläuft und man darüber nachdenken kann, wo der Ball eigentlich hin soll und nicht, wie man schlagen muss.
Als Faustregel können Sie sich also merken: Jedes Gefühl, jeder Gedanke, jede Handlung, die oft genug auftritt, wird sich verselbstständigen und bald automatisch ablaufen. Die in der Hirnforschung bekannte Hebbsche Regel lautet: „Neurons that fire together wire together“ – frei übersetzt: „Was im Gehirn gleichzeitig aktiv ist, wächst schließlich zusammen und tritt dann auch immer zusammen auf.“ So können Sie Ihre Reaktionen genauso einüben wie Einschlafen, Motivation, Entspannung, Selbstbewusstsein oder Einfühlsamkeit.
Lösungswege zurück zum Problem
Die Metapher von den breiten Autobahnen veranschaulicht auch, warum Probleme so stabil sind: es sind eben sehr breite Autobahnen. Und wer nur einen einzigen Tag motiviert an einer anderen Autobahn baut, diese Arbeit aber bald wieder aufgibt und vom Alltag eingeholt wird, der kann sein Problem nicht lösen. Ganz im Gegenteil sind alle Lösungsversuche so sehr von der breiten Autobahn dominiert, dass sie immer wieder zu ihr zurückführen – etwa so wie Autobahnabfahrten, die nicht wissen, wohin sie führen sollen, und einen dann einfach zurück auf die Autobahn lenken. Das gut gemeinte Beschweren-und-Zuhören unter Freunden mag kurzfristige Entlastung schaffen, aber es stabilisiert nur das Problem. Die Art und Weise, wie Sie über Ihr Problem sprechen und andere Sie dabei unterstützen, ist Ihnen doch bereits sehr bekannt!
Offenbar ändert sich dadurch nichts an Ihrem Problem, sonst hätten Sie es bereits nicht mehr. In der Beratung müssen daher vor allem neue Veränderungen geschehen, es müssen neue Wege aufgezeigt und ausgebaut werden. Dafür ist es nicht nötig, dass Sie Ihr Problem verstehen – Sie müssen vor allem die Lösung Ihres Problems verstehen.
Eine solche Veränderung ist nach der Beratungssitzung erst einmal mit Anstrengung und ggf. auch mit negativen Gefühlen verbunden: Auf einer Autobahnabfahrt fährt es sich nicht so gut wie auf der „gewohnten“, „altbekannten“, großen Autobahn. Kein Mensch kann eine neuronale Autobahn aber an einem einzigen Tag und mit einem einzigen Arbeitsschritt bauen. Neue Autobahnen brauchen Zeit und Engagement. Daher haben viele Menschen zwar immer wieder das Bestreben, etwas zu ändern, wissen aber nicht, dass Sie lange genug durchhalten müssen, damit sich etwas ändert. Das ist wie beim Umlernen einer Bewegungstechnik im Sport, beim Schreiben oder Tippen: Es ist ungewohnt, anders, anstrengender, man macht zunächst mehr Fehler. Schafft man es aber über diesen Punkt hinaus, dann wird die alte „Problem-Autobahn“ immer schmaler, weil sie nicht benutzt wird. Die neue „Lösungs-Autobahn“ hingegen wird immer breiter. Man spricht in der Wissenschaft hier nicht umsonst von neuronaler Bahnung. Das Gehirn ist also wie ein Muskel: Benutzt man es, wird es größer; vernachlässigt man es, baut es sich ab. Bei einer Veränderung ist das genauso: Trainiert man lange genug, kann man ganz automatisch, was vorher als unerreichbarer Traum schien. Bald fährt man auch im Autopilot auf die neue Autobahn auf, ohne dass man sich bewusst darum kümmern muss. Die alte Autobahn verkümmert hingegen immer mehr.
Man kann diesen Straßenbau beschleunigen, indem man dafür sorgt, dass im Gehirn die sogenannten Dopaminrezeptoren aktiviert sind. Dopamin ist ein Gehirn-Botenstoff, ein sogenannter Neurotransmitter, der z.B. für Antrieb und Motivation, aber auch für Glücksgefühle zuständig ist. Sind die Dopaminrezeptoren aktiv, ist das etwa so, als würden Sie all Ihre Straßen-Bauarbeiter motivieren und dadurch deren Arbeitsgeschwindigkeit und Effizienz erhöhen. Wer begeistert ist, verändert sich schneller! Das setze ich in meinem Coaching konsequent um. Daher ist die Frage nach den wirklich wichtigen, wertvollen Zielen für uns so wichtig: Nur wer wirklich „brennt“, wer bereit ist, alles für sein Ziel zu geben, wer schon in die Luft springt, wenn er sich vorstellt, wie es ist, das Ziel bereits erreicht zu haben, wird sich auch erfolgreich und schnell ändern können. Ohne diese Begeisterung können Sie Veränderung eigentlich gleich vergessen.
Das gilt leider auch für unser Schulsystem: Wenn Kinder keine Faszination für die Sache und keine Begeisterung am Lernen haben, werden sie Wissen viel schlechter aufnehmen und viel schneller wieder vergessen. Leider hat man darauf noch nicht institutionell reagiert. Kein Mensch kann gegen seinen Willen verändert werden. Daher ist die Frage nach dem Sinn und Zweck, nach dem Ziel einer Beratung und der Wichtigkeit dieses Ziels für uns so zentral.
Ihr Gehirn – nicht meines!
Nachdem Sie nun wissen, dass es vieler Wiederholungen in ausreichend kurzen Abständen bedarf, um Ihr Gehirn zu verändern, wird Ihnen klar werden, dass jede Beratung vor einem großen Problem steht. Meist ist die Beratung auf 5 bis 15 Sitzungen begrenzt, weil sie privat finanziert wird und sich kaum jemand 50 Sitzungen leisten kann. Bei einer kassenfinanzierten Psychotherapie werden diese Kosten hingegen von der Gemeinschaft übernommen. Die Beratung hat es da schwerer.
Eine Beratung ist daher als ein echtes Coaching wie im Sport zu verstehen: Ein Sportler hat einen Trainer, aber üben und trainieren muss der Sportler selbst. Ich berate mich also mit Ihnen, Sie müssen dann aber auch außerhalb der Sitzungen trainieren, besser und stärker werden! Sie sind also der Profi, Sie „können“ Ihr Leben am besten, ich bin nur der Trainer! Aber auch die besten Hochleistungssportler haben solche Trainer – und das nicht ohne Grund. Der Weltfußballer Lionel Messi z.B. kann sicherlich viel besser Fußball spielen als sein Trainer beim FC Barcelona – er ist schneller, kann härter schießen und hat eine bessere Ballbehandlung. Trotzdem kann er sich nicht selbst trainieren – und deswegen steht er jeden Tag aufs Neue auf dem Trainingsplatz. Wir kriegen dann im Fernsehen nur das Ergebnis mit: Schnelle Dribblings, flache Doppelpässe in die Tiefe und ein herausragender Torabschluss. Dahinter steckt vor allem: ein großer Wille und gutes Training.
Zusammenfassung und Faustregel
Wir halten also fest: Unser Gehirn ist vor allem ein Organ, das unser Überleben sichern soll. Daher reagiert es oft scheinbar irrational und lässt sich nicht bewusst und rational kontrollieren. Dafür lässt es sich auf anderen Wegen sehr effektiv beeinflussen.
Sie können sich und Ihr Gehirn bis ins hohe Alter ändern, wenn Sie von Ihrer Vision begeistert sind und zielstrebig trainieren. Üben Sie nach der Faustregel: Was im Hirn zusammen feuert, wächst auch zusammen. Dann läuft bald alles ganz von alleine ab.
Jedes Coaching setzt Ihre aktive Mitarbeit voraus. Sie sind der Fahrer: Sie entscheiden, wohin gefahren wird. Als Ihr Trainer erkläre ich Ihnen nur die Prinzipien der Fahr-Physik und zeige Ihnen die effektivsten Techniken, wie Sie am schnellsten an Ihr Ziel gelangen.
Setzen Sie Ihr Gehirn für das ein, was Sie erreichen möchten! Steuern Sie Ihr Gehirn – sonst steuert Ihr Gehirn Sie!