Soziale Kompetenz – das ist eine komplexe Fähigkeit für mehr Empathie, die man lange trainieren muss. Unter diesem Dach versammeln sich unzählige weitere Kompetenzen – von Small Talk über Konfliktlösung bis hin zur Führung anderer Menschen. Um all das zu lernen, würde man Monate, wenn nicht Jahre benötigen. Ich frage mich: Gibt es etwas, das Wichtiger ist als alles andere, das mich alleine schon richtig nach vorne bringt in Sachen soziale Kompetenz. Und ich glaube: Das gibt es.

Fragen sind das mächtigste Kommunikations-Tool der Welt. „Wer fragt, der führt“, sagt man zurecht. Soziale Kompetenz muss nicht heißen, dass man selbst rhetorisch brillante Ausführungen macht, sondern kann einfach auch darin bestehen, die richtigen Fragen zu stellen und gut zuzuhören. Das ist alles. So einfach ist die „Mini“-Variante von sozialer Kompetenz – wer das beherzigt, der hat schon viel geschafft.

Soziale Kompetenz und Fragen

Fragen sind deshalb so ein gutes Instrument, weil sie Menschen führen können – ich kann mich selbst mit den richtigen Fragen führen, aber ich kann auch andere Menschen damit in eine gewisse Richtung lenken. Wenn ich dich frage: „Was war dein bisher schönster Urlaub?“, dann hast du jetzt vielleicht Erinnerungen vor deinem inneren Auge. Ich kann dir nicht sagen, woran genau du denkst. Aber was ich fast mit Sicherheit sagen kann: Du hast gerade ein gutes, angenehmes Gefühl. Warum? Weil ich dich mit einer Frage in eine gewisse Richtung geführt habe.

Hätte ich dich einfach aufgefordert, jetzt an deinen schönsten Urlaub zu denken, wärst du vielleicht skeptisch geworden und hättest dich evtl. gefragt, was ich damit bezwecke. Menschen lassen sich einfach nicht gerne Befehle geben. Fragen aber sind so „weich“, dass man gar nicht merkt, dass man geführt wird – und das macht ihre Bedeutung für soziale Kompetenz aus.

Verschiedene Typen von Fragen

Es gibt viele verschiedene Typen von Fragen. Die wichtigste Unterscheidung ist sicher jene zwischen öffnenden und schließenden Fragen. Manchmal sagt man auch offene und geschlossene Fragen, aber viel treffender ist es, sie als Prozess zu beschreiben, die Richtung zu beschreiben, in welche diese Frage einen Gesprächspartner führen wird.

Die Frage „Möchten Sie einen Nachtisch?“ ist eine schließende Frage, weil man hier normalerweise mit „Ja“ oder „Nein“ antwortet. Man sieht sehr schön, dass nach einem „Nein“ das Gespräch dann auch erstmal wieder beendet wäre – es ist Schluss mit der Kommunikation.

Die Frage „Welchen Nachtisch darf ich Ihnen bringen?“ ist hingegen eine öffnende Frage, weil man hier nicht mit einem knappen „Ja“ oder „Nein“ antworten kann. Die Frage zwingt einen praktisch dazu, mehr zu sagen. Das Gespräch wird dadurch am Laufen gehalten.

Aber das ist nicht die einzige Funktion öffnender bzw. schließender Fragen. Dir ist sicher aufgefallen, dass die zweite Frage irgendwie etwas unterstellt, was gar nicht der Fall sein muss, nämlich dass ich überhaupt einen Nachtisch will. Bei der ersten Frage hätte ich einfach „Nein“ gesagt, aber bei der zweiten müsste ich jetzt länger erklären, dass ich gar keinen Nachtisch möchte. Wenn man sich ohnehin nicht so sicher war, wird das dazu führen, dass man jetzt trotzdem einen Nachtisch nimmt. Was glaubst du, welche Frage ein Kellner stellt, wenn er will, dass du noch was isst? Auch hier gilt: Wer gut fragt, der führt. Und den einen oder anderen wird man damit zu einem Nachtisch führen können.

Öffnende Fragen (offene Fragen)

Öffnende Fragen fangen meistens mit dem Buchstaben W an und werden daher oft W-Fragen genannt: Wer? Wie? Wo? Wann? Warum?

Zu welchem Zweck kann man diesen Fragen-Typ einsetzen?

  • um andere Menschen zum Reden zu bringen
  • um wortkarge Menschen zu etwas mehr Redezeit zu verhelfen
  • um schüchterne Menschen näher kennenzulernen
  • um sich etwas erklären zu lassen und andere Menschen besser zu verstehen
  • um eine Diskussion anzuregen

Schließende Fragen (geschlossene Fragen)

Schließende Fragen werden oft auch Entscheidungsfragen genannt, weil man damit den Gesprächspartner zu einer Entscheidung zwingt. Meistens geht es um die Entscheidung, ob ja oder nein – und deshalb spricht man auch von Ja/Nein-Fragen.

„Hast du studiert?“ oder „Ist Ihr Unternehmen zertifiziert?“ sind Beispiele für solche Fragen.

Zu welchem Zweck kann man diesen Fragen-Typ einsetzen?

  • um jemanden zu einer klaren Antwort zu bringen
  • um sich nochmal genau rückzuversichern
  • um Vielredner und Schwafler zu kurzen Antworten zu bringen
  • um Entscheidungen zu forcieren
  • um die Geschwindigkeit in Meetings zu erhöhen

Alternative Fragen (Oder-Fragen)

Eine Unterkategorie der schließenden Fragen sind die alternativen Fragen. Sie geben – der Name hätte es schon erwarten lassen – dem Gesprächspartner zwei oder mehrere Alternativen. Dadurch kann man sie zu denselben Zwecken einsetzen wie die schließenden Fragen insgesamt, aber es gibt hier sogar noch einen weiteren Zweck: Alternativfragen fragen nicht nur, sie behaupten auch! „Sollen wir vormittags oder nachmittags telefonieren?“ ist eine Alternativfrage, aber sie unterstellt gleichzeitig auch, dass man überhaupt telefonieren wird.

Man nennt das auch eine „Präsuppositionsfrage“, weil mit der Frage etwas unterstellt wird, also implizit etwas behauptet wird, ohne dass man es beim Namen nennen muss. Deshalb nutzen vor allem Verkäufer solche Fragen: „Soll ich dann in 3 Wochen oder lieber in 3 Monaten nochmal anrufen?“ – So eine Frage hört man im Telefon-Vertrieb gelegentlich.

Ein solcher Trick funktioniert leider nur allzu oft, denn Menschen wählen meist eine der beiden Alternativen, teils aus Faulheit, teils weil sie einen Widerspruch scheuen.

Ein beliebte Präsuppositionsfrage besteht in der „Transformation“ einer Entscheidungsfrage zu einer W-Frage. „Wann wollen wir uns denn mal auf einen Kaffee trinken?“ hat aus einem Ob („Möchtest du dich mal auf einen Kaffee treffen?“) zu einem Wann gemacht – das erhöht den Druck für die andere Person, das Treffen stattfinden zu lassen.

Weitere Fragen-Typen

Es gibt noch ein paar weitere interessante Fragen-Typen für deine soziale Kompetenz:

Eingebettete Fragen (indirekte Fragen)

Diese Fragen haben grammatikalisch die Form einer Aussage. „Ich weiß nicht, was Sie dazu denken, aber wir sind zu dem Schluss gekommen…“ beinhaltet z.B. die Frage „Was denken Sie dazu?“ Solche Fragen sind ein weiches, diplomatisches Instrument, wenn man besonders behutsam vorgehen will und der anderen Person nicht sofort Gelegenheit geben will, „nein“ zu sagen. „Vielleicht haben Sie sich ja schon einmal vorgestellt, wie es wäre, ein Wochenend-Haus im Schwarzwald zu besitzen, das ist wirklich ein Traum, gerade war ich bei…“ Diese eingebetteten Fragen bringt eine Möglichkeit ins Gespräch, die der andere nicht sofort ausräumen kann. Es steht erstmal im Raum, dass man vielleicht wirklich schon einmal daran gedacht hat, sich ein Wochenend-Haus zu kaufen.

Suggestivfragen

Du merkst, je weiter wir fortschreiten, desto klarer wird es, dass man Fragen zur Manipulation einsetzen kann. Das gilt besonders für Suggestivfragen. Sie setzen den Antwortenden massiv unter Druck, die von mir bevorzugt Antwort zu geben: „Möchten Sie damit sagen, dass ich ein Lügner bin?“ Das setzt den Antwortenden meistens so unter Druck, dass er gezwungen ist, erstmal zurückzurudern.

Manchmal setzen gerade Verkäufer solche Fragen sehr plump ein, dann gehen sie auch manchmal nach hinten los. So könnte ein Versicherungsmakler, der jemandem eine Lebensversicherung andrehen will, z.B. fragen „Sind Ihnen Ihre Kinder denn wichtig?“ – Das kommt nicht immer gut an.

Gegenfragen

Mit Gegenfragen kann man Zeit gewinnen oder sich etwas Luft verschaffen, wenn man unter Druck gerät: „Was möchten Sie denn essen?“ kann ich mit „Was steht denn zur Auswahl?“ beantworten. Man sagt dem einen oder einen Psychotherapeuten nach, persönliche Fragen des Patienten einfach zu ignorieren und mit einer Gegenfrage weiterzumachen. Fragt der Patient „Was wissen Sie denn schon über Scheidungen? Sind Sie überhaupt verheiratet?“, so könnte der Therapeut erwidern „Ist es Ihnen denn wichtig, dass jemand Ihre Lebenssituation selbst einmal erlebt haben muss?“

Rhetorische Fragen

Und natürlich dürfen in dieser Liste nicht die rhetorischen Fragen fehlen. Man kann Sie z.B. einsetzen, um einen Vortrag „gefühlt“ interaktiver zu gestalten und das Publikum mehr miteinzubeziehen. „Was glauben Sie, was ich gedacht habe, als mir Peter dieses Bündel Geldscheine in die Hand gedrückt hat? Was hätten Sie getan?“ Auf diese Frage erwartet der Redner keine Antwort, er möchte nur den Zuhörer mehr einbinden, ohne dass er ihm dafür extra das Wort erteilen müsste.

Es gibt einige Menschen, die beherrschen rhetorische Fragen so gut, dass sie einen Dialog führen können, ohne dass die andere Person etwas sagen muss.

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